Von einer Zufallsbegegnung im Flugzeug zur gemeinsamen Hochzeit – manchmal webt das Schicksal unerwartete Verknüpfungen. Die in der Schweiz lebende Kiran ist auf dem Weg in ihre Heimat Pakistan, neben ihr sitzt ein zurückhaltender Mann, der nicht viel sagt. Eine gewöhnliche, ja alltägliche Situation. Doch dann ist da plötzlich eine Verbindung – ein einziger Moment der Turbulenzen genügt dazu.
Bei ihrer ersten Begegnung werden Kiran und Muawiya im Flugzeug heftig durchgerüttelt. Ihnen sinkt der Magen in die Kniekehlen, die beiden drücken sich in den Sitz und hoffen, mit ihm zu verschmelzen, während ihre Hände sich tastend an der Lehne festhalten. Das Rütteln scheint dann auch die Gesprächsbereitschaft des bisher recht schweigsamen Sitznachbarn zu erhöhen. «Er hat mir vorgeschlagen, dass wir Nummern tauschen, sodass wir die Angehörigen des anderen benachrichtigen könnten, falls uns wirklich etwas passiert», erinnert sich Kiran. «Wir waren ja beide unterwegs, um unsere Familien zu überraschen – aber diese Art von Überraschung hatten wir natürlich nicht im Sinn.»
Doch es geht alles gut aus, zum Glück. Ihre Wege trennen sich wieder, aber sie bleiben virtuell in Kontakt. Drei Jahre lang schreiben sie sich Nachrichten, teilen Erinnerungen, Gedanken und Gefühle miteinander; Fotos von sich selbst schicken sie aber nicht. Die beiden entwickeln eine tiefe Freundschaft – bis eines Tages, wie aus dem Nichts, das Gespräch auf die Liebe fällt. Muawiya fragt Kiran, ob es bei ihr jemanden gäbe. Und wenn nicht, ob sie Interesse an ihm hätte? Ob sie sich vorstellen könne, ihn zu heiraten? Während er Anlauf auf Wolke sieben nimmt, fällt Kiran aus allen Wolken. «Er hatte kein Foto von mir, in den drei Jahren hätte ich mich so verändern können, er hat mich ja nur einmal gesehen», ist ihr erster Gedanke. Sprachlos vor lauter Schock kann Kiran zuerst gar nicht antworten. Einen Mann, mit dem sie ihr Leben teilen und eine Familie gründen kann, wünscht sich die 34-Jährige durchaus. Es soll jemand sein, der freundlich ist und mit dem sie gemeinsam lachen kann. Ist Muawiya nicht genau das? Kiran erholt sich langsam von der Überraschung, schreibt ein «Ja» zurück. Nun heisst es, das Gespräch mit der Familie zu suchen.
Liebe trotz Gegenwind
Auch wenn Kiran und Muawiya nicht mehr im muslimischen Pakistan leben – sie wohnt in der Schweiz und er studiert zu dem Zeitpunkt in Schweden – sind ihnen ihre kulturellen Praktiken nach wie vor wichtig. Im muslimischen Glauben hat die Familie ein Mitspracherecht bei dieser lebensverändernden Entscheidung. Bevor die beiden also gemeinsam die Reise zu Wolke sieben antreten können, gilt es abzuklopfen, ob alle Familienmitglieder mit ihrer Verbindung einverstanden sind. Von Muawiyas Familie kommt kein Gegenwind, obwohl Kiran halbwegs damit gerechnet hat: Sie ist älter
als ihr Verlobter und in ihrer Kultur wird das nicht so gerne gesehen. Seine Familie habe sie aber sofort ins Herz geschlossen und mit Respekt behandelt, erzählt die lebensfrohe junge Frau.
Der Gegenwind kam aus einer anderen Ecke. Doch als Kiran alle daran erinnert, dass es ihr Leben ist, wird der Verbindung zugestimmt. Es folgen gegenseitige Besuche, damit die Familienmitglieder sich kennenlernen können. Dabei wird Muawiya auf Herz und Nieren geprüft. Schliesslich: grünes Licht für die Hochzeitsvorbereitungen.
Traditionelle Trauung
Das Paar plant eine klassische Nikah, wenn auch in kleinem Rahmen. Unterstützung erfahren die werdenden Brautleute dabei besonders durch Muawiyas Mutter: Von Pakistan aus schickt sie Kiran verschiedene Pakete mit allem Notwendigen für die Hochzeit. «Das eine Paket war ungefähr 18 Kilo schwer», verrät diese lachend. Was drin war? Zwei handgefertigte Hochzeitskleider, ein leichteres in Weiss und ein schweres in Rot, der traditionellen Hochzeitsfarbe in Pakistan. Ebenfalls in dieser Farbe gehalten ist der Schleier, dem eine besondere Bedeutung zukommt: Erst wenn beide «Ja» gesagt haben, erhascht der Bräutigam an diesem Tag den ersten Blick auf das Gesicht seiner Braut. Wie eine sich langsam öffnende Blüte streicht die Braut den Stoff zurück, als Zeichen, dass sie nach ihrem Versprechen in einen anderen Lebensabschnitt hinübertritt.
Weil die muslimische Hochzeit, die Kiran und Muawiya planen, nur im kleinen Rahmen zu Hause stattfindet, entscheidet sich die Braut schliesslich für das weisse Kleid – das traditionelle Rot würde sich eher für eine grosse Feier eignen. An der Zeremonie am Tag des Versprechens nehmen die Familien von Muawiya und Kiran teil. Vor der Familie und dem Iman geben die beiden ihr Einverständnis, bezeugen, dass sie von nun an für ihr Gegenüber verantwortlich sind und schauen sich schliesslich nach dem Heben des Schleiers in die Augen. Traditionell würde die Frau an dieser Stelle auch noch die sogenannte Mahr – einen Vermögenswert, beispielsweise in Form von Geld oder Schmuck – von ihrem Ehemann erhalten. Kiran lehnte das aber im Vorfeld bereits ab: «Du kannst nicht mit Geld glücklich sein – es ist wichtiger, dass man sich liebt und gemeinsam lachen kann.»
Standesamtlich sind die Turteltauben noch nicht verheiratet – sobald Muawiya endgültig in die Schweiz einreisen kann, wollen sie das aber nachholen. «Die muslimische Trauung war erst einmal wichtiger als die zivile – ohne sie dürfte Muawiya beispielsweise nicht bei mir übernachten und wir könnten auch nicht zusammenziehen», erklärt Kiran. Einen weiteren Vorteil hat die spätere standesamtliche Trauung aber: Weil die Nikah nur im kleinen Rahmen stattfand, können Kiran und Muawiya nun noch eine zweite, grössere Feier planen – bei der auch alle Freund:innen mit dabei sein können. Ein genaues Datum haben sie noch nicht, denn die Planung hängt von den Schweizer Behörden ab, die Muawiyas Dokumente zurzeit prüfen.
Herzensfotos für die Ewigkeit
Um ihre Erinnerungen an die kleine Zeremonie festzuhalten und dem Ganzen einen noch festlicheren Anstrich zu verleihen, plant das Paar nach der Hochzeit zu Hause noch ein kleines Shooting. Anna, eine ehemalige Arbeitskollegin von Kiran, die nun als Stylistin und Fotografin arbeitet, schlägt dafür das Schloss Waldegg in Solothurn vor. Da das Gelände um fünf Uhr geschlossen wird, hat die Gesellschaft nur knapp eine Stunde Zeit, um Fotos zu machen – aber es wird ein voller Erfolg, wie man anhand der verträumt-romantischen Bilder sehen kann. Traditionelle Details wie Henna-Tattoos, grosse Ringe und natürlich der rote Schleier dürfen nicht fehlen. Schmunzelnd verrät Kiran: «Henna ist als Braut natürlich ein Muss, aber zum Glück kann man die kleinen Henna-Tattoos so schnell malen.» Diese hat sie sich nämlich vor dem Shooting selbst aufgemalt.