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Hochzeitsgeflüster: Freie Trauung – gekommen, um zu bleiben?

Seit meinen ersten Schritten als Traurednerin im Jahr 2015 bin ich auf der Suche nach Zahlen. Mich würde es mal interessieren, wie viele Paare sich in der Schweiz jährlich das Jawort bei einer Freien Trauung geben. Dass jährlich um die 40 000 Menschen heiraten (die Zahl ist übrigens rückläufig), findet man nach kurzer Recherche schnell heraus, aber das sind ja die rein zivilrechtlich geschlossenen Ehen. Wie viele davon feiern anschliessend in einer Kirche, mit einer Freien Trauung oder gar nicht mehr? Keine Ahnung.


Was ich weiss: Die Anzahl meiner Anfragen nimmt seit Jahren stetig zu, obwohl inzwischen viel mehr Freie Rednerinnen und Redner auf dem Markt aktiv sind. Ich schluss­folgere daraus, dass immer mehr Paare ihre Liebe mit einer Freien Trauung feiern wollen. Darf ich an dieser Stelle mal mit einem – erstaunlicherweise recht weit verbreiteten – Ge­­rücht aufräumen? Eine Freie Trauung heisst nicht Freie Trauung, weil sie im Freien stattfindet, sondern weil das Paar sie inhaltlich und konfessionell frei gestalten kann, ohne sich an Vorgaben jeglicher Art halten zu müssen. Man kann also auch in einem geschlossenen Raum eine Freie Trauung abhalten – und sie darf auch religiöse Inhalte haben. Ich habe tatsächlich auch schon Freie Trauungen in Kirchen und Kapellen geleitet, was teilweise zu Verwirrung bei den Sigristen und Sigristinnen geführt hat. «Brauchen Sie denn das ZGB?», wurde ich bei der Vorbe­reitung einer Trauung schon gefragt, und es hat einen Moment gedauert, bis ich realisiert habe, dass nicht das Schweizerische Zivil­gesetzbuch, sondern das Zürcher Bibel- und Gesangbuch gemeint war. Jedenfalls: Freie Trauungen liegen im Trend.


Ein «Trend» bezeichnet laut Definition nichts anderes als eine starke Tendenz, und ich bin eindeutig der Meinung, dass es eine starke Tendenz zu Freien Trauungen gibt, die ihren Höhepunkt scheinbar noch nicht erreicht hat. Im besonders hart umkämpften Hochzeitsjahr 2022 ist der Mangel an Zeremonienleiterinnen und Zeremonienleitern besonders spürbar. Bereits seit Wochen werden Anfragen – natürlich anonymisiert – in unseren Netzwerken hin und her geschickt, um alle Paare noch in gute Hände zu bringen, aber immer öfter lässt sich niemand mehr finden, der noch frei ist. Bei den beliebten Hochzeitslocations und anderen Dienstleistern sieht es ähnlich aus. «Trend» ist allerdings ein Wort, welches oft auch leicht ab­fällig verwendet wird – vermutlich wegen der Modetrends, die oft so schnell verschwinden, wie sie gekommen sind. Vielleicht wehre ich mich deshalb manchmal dagegen, dass Freie Trauungen als Trend bezeichnet werden, denn ich bin mir sicher, dass sie so schnell nicht mehr aus der Hochzeitswelt wegzudenken sind. Ja, ich denke, Freie Trauungen sind gekommen, um zu bleiben.


Weshalb sind Freie Trauungen denn so beliebt? Ich glaube, dass der Hauptgrund für die ständig wachsende Faszination die unglaubliche Freiheit ist, die ein Paar mit einer solchen Zeremonie automatisch erhält. Heiraten zu zweit oder mit 350 Gästen? Auf einem Berggipfel, im Garten der Oma, am Strand oder im Lieblingsrestaurant? Mit einer komplett auf das Paar zugeschnittenen Rede, selbst ausgewählten Songs, mit oder ohne Einbezug der Gäste, mit gerappten oder gereimten Ehegelübden oder einem liebevoll ausgedachten Trauritual? Alles ist möglich. Und in der heutigen Zeit, in der Individua­lität und Persönlichkeit so grossgeschrieben werden, ist diese unendliche Freiheit einfach unwiderstehlich verlockend.


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